3D-Marke in der Form eines Guerlain-Lippenstifts als EU-Marke eintragbar

Hintergrund

Im Jahr 2018 beantragte der französische Kosmetikkonzern Guerlain die Eintragung einer dreidimensionalen EU-Marke. Wie in dem nachfolgenden Foto abgebildet, besteht diese aus der Form eines länglichen und auf einer Längsseite abgeflachten Lippenstiftetuis mit abgerundeten Enden. Die Marke beanspruchte Schutz für „Lippenstifte“ in Klasse 3.

Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der EU-Markenverordnung sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Dabei bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke, dass diese es ermöglicht, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Ware von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Das EU-Markenamt (EUIPO) wies den Antrag auf Eintragung der oben dargestellten Formmarke zunächst zurück. Die Beschwerdekammer bestätigte diese Entscheidung, so dass Guerlain vor das Gericht der Europäischen Union zog.

Entscheidung des EuG

Das EuG schloss sich der Auffassung des EUIPO und seiner Beschwerdekammer, dass die vorliegende Formmarke nicht hinreichend von der Norm oder Branchenüblichkeit abweiche und folglich keine Unterscheidungskraft besitze, nicht an:

  1. Die erforderliche Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke sei nicht allein anhand der Originalität oder Neuheit innerhalb der Branche zu beurteilen. Zudem bedeute die Tatsache, dass in der Branche eine Vielzahl von Warenformen bekannt sind, nicht, dass eine etwaige neue Form zwangsläufig als eine weitere Variante wahrgenommen werde und ihr dadurch zwangsläufig Unterscheidungskraft fehlen müsste.

  1. Grundsätzlich seien alle Formen zu berücksichtigen, die der Verbraucher auf dem Markt zu sehen gewohnt ist. Je näher die als Marke angemeldete Form an der wahrscheinlichsten Form der fraglichen Ware liegt, desto eher fehlt ihr Unterscheidungskraft. Die Abweichung muss folglich erheblich sein, um die Eignung als Herkunftsfunktion erfüllen zu können.

  1. Zudem käme es darauf an, ob der Durchschnittsverbraucher die Ware in einer dreidimensionalen Form als Marke wahrnehmen und von den Produkten anderer Unternehmen unterscheiden könne. Diese Einschätzung darf nicht nach einem subjektiven Qualitätsdesign oder ästhetischen Erscheinungsbild erfolgen. Vielmehr ist zu beurteilen, ob dieses spezifische Erscheinungsbild der Marke eine objektive und in den Augen der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet ist, eine ungewöhnliche visuelle Wirkung mit Wiedererkennungswert hervorzurufen.

  1. Darüber hinaus sei die Marke mit ihrer an einen Schiffsrumpf oder eine Kinderkrippe erinnernden Form als ungewöhnlich und sich von den anderen Formen auf dem Markt erheblich unterscheidend einzustufen. Branchenüblich seien zylindrische oder quaderförmige Lippenstifte.

  1. Insbesondere verstärke das vorgetragene Argument, dass sich der von der Marke dargestellte Lippenstift nicht aufrecht hinstellen lässt, den phantasievollen und ungewöhnlichen visuellen Eindruck der Form. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden von dieser – im Übrigen auch leicht einprägsamen Form – überrascht und nehmen sie als erheblich von der Norm und den Gewohnheiten im Bereich der Lippenstifte abweichend wahr. Damit sei sie geeignet, auf die Herkunft der betreffenden Waren hinzuweisen.

Folglich besitze die 3D-Marke Unterscheidungskraft.

Fazit

Die Würdigung der 3D-Marke durch das EuG mit dieser Entscheidung sollte Aufhorchen lassen. Die Entscheidung zeigt die hohe Bedeutung eines Markenschutzes für Produkte mit ungewöhnlicher Form. Die 3D-Marke bietet gegenüber dem Designschutz zeitlich unbegrenzten Schutz und ist damit sehr attraktiv. Wichtig ist, dass eine Formmarke von der branchenüblichen Norm und Form abweicht, so dass diese Form als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen geeignet ist.

18. Januar 2022
Vanessa Bockhorni
Patentanwältin

Quelle: Urteil vom 14.07.2021, T-488/20, Guerlain/EUIPO