Die Bedeutung des Druckexemplars im europäischen Patenterteilungsverfahren

Die Bedeutung, die dem sogenannten „Druckexemplar“ im Rahmen der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ zukommt, wurde jüngst von einer technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes wieder einmal bestätigt. Es ist Anmeldern nicht anzuraten, auf eine weitere Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ zu verzichten, wenn Mängel in der für die Erteilung vorgesehenen Textfassung („Druckexemplar“) vorhanden sind.

Im vorliegenden Fall enthielt eine Patentanmeldung Figuren 1/18-18/18. Während des Prüfungsverfahrens reicht die Anmelderin Figuren 1 bis 7 ein mit der Bitte, sämtliche Figuren 1 bis 18 der ursprünglichen Anmeldung durch diese zu ersetzen.

Das Amt erließ eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ und listete hier fehlerhaft sowohl die später eingereichten Figuren 1/18 bis 7/18 als auch die Figuren 8/18 bis 18/18 als zur Erteilung vorgesehene Textfassung auf. Dem Druckexemplar waren Seite 1/7 bis 7/7 und 8/18 bis 18/18 beigefügt.

Der Anmelder akzeptierte das Druckexemplar bis auf unwesentliche Mängel in der Beschreibung, auf die es hier nicht ankommt, und verzichtete auf die Absetzung einer weiteren Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ. Das EPA erteilte das Patent antragsgemäß.

Mit ihrer Beschwerde versuchte die Anmelderin die Figurenseiten 8/18 bis 18/18 aus dem erteilten Patent herauszunehmen.

Die Beschwerde der Anmelderin blieb erfolglos.

Die Beschwerdekammer stellte klar, dass die Einverständniserklärung der Anmelderin mit dem Druckexemplar maßgeblich für das Europäische Patent sei und nicht der „wahre Wille“ der Anmelderin, selbst wenn dieser wie hier deutlich erkennbar sei. Im Falle der Zustimmung zum Druckexemplar dürfe die Prüfungsabteilung nämlich rechtmäßig davon ausgehen, dass die Anmelderin das Druckexemplar geprüft und verifiziert habe.

Wir können Patentanmeldern nur empfehlen, jede Seite des Druckexemplars eines für die Erteilung vorgesehenen Patents sorgfältig gegenüber den eingereichten Unterlagen zu prüfen, und zudem zu überprüfen, ob das Druckexemplar tatsächlich dem Patent wie zuletzt beantragt entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, was relativ häufig vorkommt, so sollte der Weg über die Mitteilung nach Regel 71 (6) EPÜ gewählt werden, um Korrekturen im Druckexemplar auszuführen.

Einem Verzicht auf den Erlass einer weiteren Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ ist abzuraten. Es ist nämlich beispielsweise nicht klar, ob das EPA in einem angenommenen Fall, dass bei der Erstellung des neuen Druckexemplars weitere Fehler auf Seiten des EPA entstehen, diese nachträglich noch korrigieren lässt. Der vorliegende Fall lässt diese Fallgestaltung zwar noch offen, allerdings wäre zu bedenken, dass in dem soeben entschiedenen Fall die Beschwerde von der Kammer als unzulässig zurückgewiesen wurde, da der Anmelder aufgrund seines Verzichts und seiner Einverständniserklärung gar nicht beschwert sei. Wir vermuten, dass das EPA jeden Verzicht des Anmelders ebenso eindeutig auslegen wird. So können vom EPA selbst verursachte Fehler ungewünscht ins Patent gelangen.

T 2277/19 vom 11. Dezember 2019


19. Mai 2020
Thorsten Brüntjen
Patentanwalt