EuG: Unionsmarke NEUSCHWANSTEIN bleibt für Freistaat Bayern eingetragen

Gegen die im Jahre 2011 für Parfümeriewaren, Messerschmiedewaren, Schmuckwaren, Musikinstrumente, Schreib- und Briefpapier, Spielzeug und weitere unter Souvenirwaren subsumierbare Waren angemeldete und eingetragene Unionsmarke NEUSCHWANSTEIN (Nr. 10144392) des Freistaats Bayern hatte der Bundesverband Souvenir-Geschenke-Ehrenpreise Nichtigkeitsantrag beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) gestellt, um die Löschung der Marke NEUSCHWANSTEIN basierend auf den Nichtigkeitsgründen

  • fehlende Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 (1) b) UMV
  • geografische Herkunftsangabe gemäß Art. 7 (1) c) UMV
  • Böswilligkeit gemäß Art. 52 (1) b) UMV

zu erwirken.

Der Nichtigkeitsantrag wurde vom Gericht der Europäischen Union (EuG) abgeschmettert. Der Bundesverband Souvenir-Geschenke-Ehrenpreise kann nun noch vor dem übergeordneten Europäischen Gerichtshof Rechtsmittel einlegen, um das Urteil zu kippen.

Vorgeschichte:

Der Freistaat Bayern hatte sich die Marke NEUSCHWANSTEIN vornehmlich schützen lassen, um den Namen des im 19. Jahrhunderts von König Ludwig II. erbauten Märchenschlosses vor dem Gebrauch für Ramschartikel zu schützen1. Der Bundesverband Souvenir-Geschenke-Ehrenpreise stellte daraufhin Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit, woraufhin die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO den Antrag zurückwies und zwar mit der Begründung, dass die Marke keine Angabe enthalte, die dazu dienen könne, die geografische Herkunft oder andere Merkmale der betreffenden Waren und Dienstleistungen zu bezeichnen. Ferner habe die Marke Unterscheidungskraft und sei die Anmeldung nicht bösgläubig vorgenommen worden. Die Beschwerdekammer des EUIPO bestätigte diese Entscheidung, weshalb der Bundesverband Souvenir-Geschenke-Ehrenpreise Rechtsmittel beim EuG einlegte.

Im Detail: Ausführungen des EuG

1. Keine geografische Herkunftsangabe

Zur Frage der geographischen Bezeichnung stellte das EuG zunächst fest, dass die allgemeine Verbraucherschaft der Union die maßgeblichen Verkehrskreise bildeten und es sich bei den Waren und Dienstleistungen zum einen um Souvenirartikel handele, bei denen es sich größtenteils um Artikel des laufenden Verbrauchs, und zum anderen um Leistungen handele, die täglich erbracht werden.

Das Gericht wies darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung eine geographische Bezeichnung dann eine geographische Angabe darstellt, wenn sie einen Ort bezeichnet, der von den beteiligten Verkehrskreisen gegenwärtig mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht wird, oder wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass künftig eine solche Verbindung hergestellt werden kann. Ferner wäre die Eintragung einer geographischen Angabe als Marke dann ausgeschlossen, wenn sie bestimmte geographische Orte bezeichnet, die für die betroffene Warengruppe bereits berühmt oder bekannt sind. Allerdings sei die Eintragung geographischer Bezeichnungen dann möglich, wenn den beteiligten Verkehrskreisen diese Bezeichnung nicht oder zumindest nicht als Bezeichnung eines geographischen Ortes bekannt ist, und wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass die Verkehrskreise annehmen könnten, die betreffenden Waren stammten von diesem Ort.

Das Gericht hebte anschließend hervor, dass der Name NEUSCHWANSTEIN wörtlich „der neue Stein des Schwans“ bedeutet. Daher handle es sich bei NEUSCHWANSTEIN um einen erfundenen und originellen Namen, der ein Bauwerk bezeichne und so den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht erlaube, eine Verbindung mit den Waren und Dienstleistungen herzustellen.

Zwar kann das Schloss geographisch lokalisiert werden, allerdings nicht als geographischer Ort angesehen werden, weil das Schloss in der Gemeinde Schwangau liegt. Die Souvenirartikel und Dienstleistungen würden durch die Marke nicht als geographische Herkunft durch den Verkehr aufgefasst werden. Das Schloss Neuschwanstein bezeichnete das Gericht als einen musealen Ort, den Touristen gegen Eintrittsgeld besichtigen können und dessen Hauptfunktion weder die Herstellung oder Vermarktung von Souvenirartikeln noch die Erbringung von Dienstleistungen sei, sondern die Bewahrung des Kulturerbes. Da das Schloss Neuschwanstein als solches kein Ort der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen sei, könne die angegriffene Marke keinen Hinweis auf die geographische Herkunft der von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen bieten.

Demnach sei die angegriffene Marke eintragbar.

2. Keine fehlende Unterscheidungskraft

Zur Unterscheidungskraft führte das Gericht aus, dass es sich bei NEUSCHWANSTEIN um einen Fantasienamen, ohne beschreibenden Bezug zu den Waren und Dienstleistungen handle. Da der Name Neuschwanstein „der neue Stein des Schwans“ bedeute, erlaube allein die Verbindung der Marke mit den Artikeln und Dienstleistungen, diese von anderen Waren und Dienstleistungen, die an anderen kommerziellen oder touristischen Städten verkauft oder erbracht werden, zu unterscheiden. Im Übrigen stellte das Gericht fest, dass die Marke weder ein Werbemittel noch ein Slogan sei.

Gegenüber dem im Jahre 2012 ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs (Deutschland), mit dem der nationalen Wortmarke NEUSCHWANSTEIN der Schutz in Deutschland entzogen worden war, grenzte sich das EuG mit der Begründung ab, dass es von jedem nationalen System unabhängig sei und die Eintragungsfähigkeit einer Unionsmarke nur auf Grundlage der einschlägigen Unionsregelungen beurteilt werden müsse.

3. Keine böswillige Anmeldung

Nachdem der Begriff der Bösgläubigkeit in den Rechtsvorschriften der Union in keiner Form definiert, abgegrenzt oder wenigstens beschrieben ist, bezog sich das Gericht der Europäischen Union auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Lindt & Sprüngli, Lindt Goldhase, C-529/07) zur Auslegung des Begriffes. Demnach sind für die Beurteilung, ob der Anmelder einer Marke bösgläubig ist, alle Umstände des individuellen Falles zum Zeitpunkt der Anmeldung einer Unionsmarke zu berücksichtigen, insbesondere:

  1. ob der Anmelder weiß oder wissen musste, dass ein Dritter in mindestens einem Mitgliedstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder ähnliche Ware oder Dienstleistung verwendet, das mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ist
  2. die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern,
  3. der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen.

Diese Faktoren seien nicht abschließend und im Rahmen der umfassenden Beurteilung könnten, so führte das EuG weiter aus, insoweit auch die unternehmerische Logik, in die sich die Anmeldung des Zeichens als Unionsmarke einfügte, und die Geschehensabfolge bei der Anmeldung berücksichtigt werden (Urteil vom 9. Juli 2015, CAMOMILLA, T-100/13).

Nachdem der Kläger keine Beweise vorlegen konnte, die belegten, dass der Freistaat Bayern Kenntnis von der Vermarktung der Produkte durch den Kläger hatte, war obige Bedingung gemäß Ziffer 1 nicht erfüllt. Das EuG wies darauf hin, dass das Schloss Neuschwanstein Eigentum des Freistaats Bayern sei, der das Schloss mit dem Verkauf von Souvenirartikeln, mit denen dem relevanten Publikum ein qualitätsvoller kultureller Besuch garantiert werden solle und die dem Funktionieren des Schlossbetriebs dienten, bewirtschaftet. Demnach verfolge der Freistaat Bayern das Ziel, den musealen Ort zu erhalten und zu pflegen. Deshalb würde der Freistaat Bayern die Bekanntheit des Schlosses nicht in unberechtigter Weise für sich alleine nutzen.

Eine Bösgläubigkeit des Freistaats Bayern konnte demnach nicht nachgewiesen werden.

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Es bleibt nun abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof die vorausgegangenen Entscheidungen bestätigt. Wir werden sie darüber auf dem Laufenden halten.

13. Juli 2016; Vanessa Bockhorni (PA)

1Spiegel Online v. 6.07.2016 „Bayern siegt im Souvenir-Streit von Neuschwanstein“