MÄDELSABEND – Keine Unterscheidungsfähigkeit für Süßes?

Kernstück der Entscheidung „Mädelsabend“ ist die Abgrenzung zu den Entscheidungen des BGH zu „darferdas?“ vom 21. Juni 2018 (BGH I ZB 61/17) und vom 30. Januar 2020 (BGH I ZB 61/17) sowie der damit in Verbindung stehenden Entscheidung des EuGH vom 12. September 2019 (EuGH C-541/18, EuGH-Vorlage).

Im Rahmen dieser Beschwerdeentscheidung hatte das Bundespatentgericht (BPatG) darüber zu befinden, ob das Zeichen „Mädelsabend“ für die Waren „Zuckerwaren; Fruchtgummi; Schaumzucker; Lakritz; Kaubonbons“ eintragungsfähig ist. Die beanspruchten Waren werden in einer Schlauchbeutelverpackung in den Verkehr gebracht, die mit der grafisch hervorgehobenen Bezeichnung „Mädelsabend“ bedruckt ist.

Die Eintragung war zuvor bereits mit zwei Beschlüssen des DPMA im Eintragungs- und Erinnerungsverfahren wegen fehlender Unterscheidungskraft nach §8 Abs. 2. Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen worden. Das BPatG bestätigte diese Entscheidungen im Rahmen der Beschwerde nun ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Unterscheidungskraft:

Unterscheidungskraft im Sinne des §8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen kommt es maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise an und hierbei auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen sowie verständigen Durchschnittsverbrauchers. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist auszugehen, wenn

      • die maßgeblichen Verkehrskreise dem Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen.

      • die Wortfolge eines beanspruchten Zeichens für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält.

      • die Angaben eines Zeichens sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betroffenen Waren und Dienstleistungen hergestellt wird.

Nach Ansicht des Bundespatentgerichts fehlt dem angemeldeten Zeichen zumindest unter dem letztgenannten Gesichtspunkt die Unterscheidungskraft: Der Begriff „Mädelsabend“ sei ein aus den beiden Substantiven „Mädels“ – umgangssprachlich für Mädchen – und „Abend“ gebildetes Kompositum der deutschen Sprache, das unmittelbar verständlich und als solches lexikalisch nachweisbar sei. Der Begriff bezeichne in salopper Art und Weise ein abendliches, geselliges Beisammensein von Frauen. Dabei könne nach Auffassung des Senats dahingestellt bleiben, ob bei einer solchen Zusammenkunft der Konsum alkoholischer Getränke im Vordergrund stehe. (Der Beschwerdeführer hatte ausgeführt, dass der von der Markenstelle angeführte (assoziative) Sachzusammenhang – wenn überhaupt – aufgrund Werbung, etc. nur mit „alkoholischen Getränken“ angenommen werden könne). Unabhängig, von der Getränkeauswahl sei es bei solchen Zusammenkünften vor allem üblich, Süßigkeiten und Knabbersachen anzubieten und zu konsumieren. Hiervon ausgehend werde der Verkehr die angemeldete Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken als Sachhinweis dahingehend verstehen, dass die so bezeichneten Waren für den Konsum anlässlich eines „Mädelsabends“ bestimmt und geeignet seien. Darüber hinaus könne die Bezeichnung als Hinweis verstanden werden, dass die so bezeichneten Waren als Gastgeschenk oder Mitbringsel für einen „Mädelsabend“ besonders geeignet sind. Dies wurde seitens des BPatG auch durch diverse diesbezügliche Rechercheergebnisse belegt.

Weiter hat das BPatG eine klare Abgrenzung zu den Entscheidungen „#darferdas?“ des BGH und die damit in Verbindung stehende EuGH-Vorlage- Entscheidung (s. o.) vorgenommen:

Das BPatG stellte heraus, dass sich die sachverhaltliche Ausgangslage der hier zu entscheidenden Sache grundlegend von derjenigen bei „#darferdas?“ unterscheiden würde. Der Slogan „#darferdas?“ war für Waren der Klasse 25, nämlich „Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts; Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ angemeldet worden.

Bereits das BPatG hatte zur Frage der Schutzfähigkeit des Slogans festgestellt, dass dem angemeldeten Zeichen weder ein beschreibender Gehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren entnommen werden könne, noch ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren ersichtlich sei. Es ginge auch offensichtlich nicht um einen solchen Werbeslogan oder eine Werbeaussage allgemeiner Art, die ausschließlich als werbewirksame Anpreisung bzw. nur als allgemein verständlich positiv besetzte Aussage verstanden werden und denen deshalb stets die Unterscheidungskraft fehlt. Im Rahmen der Vorlage zum EuGH stand vielmehr die Frage im Mittelpunkt, ob neben der wahrscheinlichsten auch andere praktisch bedeutsame und naheliegende Verwendungsformen bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigen sind. Bei Bekleidung wäre hier an eine Verwendung des Zeichens eben nicht nur z. B. als Frontaufdruck, sondern auch auf dem eingenähten Etikett auf der Innenseite zu denken. Im Rahmen einer solchen Etikett-Gestaltung könnte der Verkehr regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen.

Zusammenfassend könnten die Rechtsprechung des EuGH und BGH dahingehend verstanden werden, dass die Schutzfähigkeit eines Zeichens bejaht werden könne, wenn es auf der Ware dort angebracht werde, wo der Verkehr üblicherweise die Anbringung eines Herkunftshinweises erwarte und er es dort daher als Herkunftshinweis verstehe. Allerdings darf dies nach Ansicht des BPatG nicht dahingehend verstanden werden, dass dies unabhängig vom konkreten Zeichen gelte. Die vorgenannte Vermutung sei gerade nicht für Zeichen anzuwenden, die zu den üblichen Fallgruppen gehören, bei denen die Unterscheidungskraft per se zu verneinen ist. Jede andere Deutung würde contra legem auf die Abschaffung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft hinauslaufen. Die Annahme, dass ein im Sinne von §8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG produktbeschreibendes und deswegen nicht unterscheidungskräftiges Zeichen allein durch die konkrete Art seiner Verwendung Unterscheidungskraft erlangen könnte, lasse sich nach Ansicht des BPatG weder auf die Entscheidung des EuGH noch auf diejenigen des BGH zu „#darferdas?“ stützen.

Beim Zeichen „Mädelsabend“ handelte es sich entsprechend der Ausführungen des Gerichts aber gerade um eine „normale“ Fallgruppe eines Zeichens, der es bereits an einer (originären) Unterscheidungskraft fehlte. Überlegungen zur konkreten Verwendungsart des Zeichens auf der Produktverpackung und ob der Verkehr an dieser Stelle bei z. B. Fruchtgummis hier regelmäßig einen Herkunftshinweis erwarte, waren demnach ausgeschlossen.

Bundespatentgericht, Aktenzeichen: 25 W (pat) 29/19

5. Januar 2021
Sabine Röhler
Rechtsanwältin