Vorbenutzugsrecht aufgrund eigener Vorbenutzungshandlungen gegenüber einem deutschen Designpatent (BGH-Entscheidung Bettgestell)

Prinzipiell gilt in Deutschland, dass ein Dritter, der vor der Anmeldung eines eingetragen Designpatens im Inland ein identisches Design entwickelt hat, dies in Benutzung genommen oder zumindest ernsthafte Bemühungen für eine Benutzungsaufnahme getroffen hat, sich auf ein Vorbenutzungsrecht berufen kann. Dieses Vorbenutzungsrecht ermöglicht die weitere Benutzung des Dritten unbeschadet des vorhandenen Designpatents. Voraussetzung ist allerdings, dass die Vorbenutzungshandlung im Inland, also in Deutschland, stattgefunden hat.

Selten gibt es BGH-Entscheidungen, die sich mit dem Bestehen eines Vorbenutzungsrechts gegenüber deutschen Designpatenten befasst, die aufgrund eigener Vorbenutzungshandlungen entstehen können.

Sachverhalt war, dass die Klägerin ein Designpatent hatte, das ein Bettgestell zeigt (im Folgenden Klagedesign). Das Designpatent wurde am 15. Juli 2002 in Deutschland angemeldet und am 15. November 2002 registriert. Zugleich wurde die Priorität einer Ausstellung auf der Internationalen Möbelmesse in Köln am 14. Januar 2002 anerkannt.

Die Beklagte gehörte dem weltweit bekannten IKEA-Konzern an und vertrieb seit 2003 ein Bettgestell unter der Bezeichnung „MALM“ welches weitgehend mit dem Klagedesign übereinstimmt. Die Beklagte hatte im August 2002 einen Katalog mit einem Bettgestell der Type „BERGEN“ verteilt, welches sich nur durch ein geringfügig höheres Kopfteil des Bettgestells gegenüber dem das Designpatent verletzenden „MALM“-Bettgestell unterschieden hat. Die Klägerin hat die Beklagte auf Verletzung des Designpatent verklagt. Das Berufungsgericht, nämlich das OLG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen, dem aber der BGH als Revisionsinstanz nicht gefolgt ist.

Das OLG Düsseldorf hat der Beklagten ein Vorbenutzungsrecht im Sinne von § 41 Designge-setz in Deutschland zugesprochen. Begründet wurde dies maßgeblich dadurch, dass IKEA in Schweden bereits vor dem Prioritätstag 14. Januar 2002 ernsthafte Vorbereitungen für den globalen Vertrieb des Vorgängermodells „BERGEN“ auch in Deutschland getroffen hat und zwar in Unkenntnis des Klagedesigns. Insofern hat das OLG Düsseldorf IKEA einen ernstlichen Willen erkennen lassen, die gewerbliche Benutzung des Vorgängermodells „BERGEN“ alsbald aufzunehmen, zumal bereits die Produktion einer Nullserie in Polen seitens IKEA in Auftrag gegeben wurde und entsprechende Aufbauanleitungen freigegeben wurden. Das Bettgestell „BERGEN“ wurde schließlich auch Ende März 2003 nach Deutschland ausgeliefert.

Das OLG Düsseldorf hat hierbei auch die Voraussetzungen „im Inland“ bejaht, da die im Ausland getroffenen Vorbereitungshandlungen klar auf eine Benutzung des Designs im Inland abgezielt haben. Da die Auftragserteilung zur Produktion auf einen weltweiten Vertrieb und damit auch auf den deutschen Markt abzielte, wurden die entsprechenden Vorbereitungen auch auf das „Inland“ bezogen anerkannt.

Diese Auffassung wird vom BGH nicht geteilt, der das Urteil des OLG Düsseldorf aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht in Düsseldorf zurückgewiesen hat.

Der BGH hat hierbei die Schutzfähigkeit des Klagedesigns bestätigt und festgestellt, dass das von IKEA vertriebene Bettgestell „MALM“ in den Schutzbereich des Designpatents eingreift.

Allerdings teilt – und das ist das Interessante an dieser Entscheidung – der BGH nicht den „Inlandsbezug“ der Vorbenutzungshandlungen seitens IKEA. Zwar bestätigt der BGH, dass im Falle des Bettgestells „BERGEN“ im Prinzip schon Fertigstellungen eines Entwurfs und die Anfertigung von Konstruktionszeichnungen, die Erstellung von Prototypen sowie Verhandlungen und ernsthafte Vorgespräche mit potentiellen Kunden ausreichen könnten, allerdings käme es hierbei immer auf den Inlandsbezug dieser Vorbenutzungshandlungen an. Das heißt, die Handlungen für die Aufnahme der Benutzung müssten ebenso wie die Benutzung selbst, im Inland getroffen worden sein. Dies war aber im Falle des Bettgestells „BERGEN“ gerade nicht der Fall, da es hier lediglich Vorbenutzungshandlungen außerhalb Deutschlands gab.

Die BGH-Entscheidung ist auch sachgerecht, weil sie davon ausgeht, dass ein deutsches Designpatent in Bezug auf seinen Schutz nur auf Verletzungshandlungen in Deutschland abzielt und geltend gemacht werden kann. Da das Vorbenutzungsrecht eine Ausnahme, mithin eine Einschränkung dieses Schutzes darstellt, ist es gerechtfertigt, den Umfang des nationalen Schutzrechtes nur durch im Inland begangene Vorbenutzungshandlungen zu beschneiden, was sich alleine aus der Systematik des Gesetzes ergibt.

Fazit:
Vorbenutzungsrechte gegenüber einem deutschen Designpatent können in der Tat nur dann geltend gemacht werden, wenn die Vorbenutzungshandlungen strikt in Deutschland stattgefunden haben. Es kommt also nicht darauf an, dass die im Ausland initiierten Vorbenutzungshandlungen auch auf Deutschland abzielen.

BGH, Urteil vom 29.06.2017 Az. I ZR9/16
Dipl.-Ing. Josef Bockhorni (PA)