Zur Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren

Seit den beiden Entscheidungen „Brokkoli II“ und „Tomaten II“ (G 2/12 und G2/13) der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom März 2015 ist Anmeldern europäischer Patente bewusst, dass kein Patent auf ein „im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren“ erteilt wird. Solche Verfahren unterliegen dem Patentierbarkeitsausschluss des Artikel 53 b) EPÜ.

In beiden genannten Entscheidungen war die Große Beschwerdekammer allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erzeugnisse eines solchen Verfahrens, nämlich Pflanzen und Pflanzenteile, nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Pflanzen und Tieren aus solchen Verfahren seien weiterhin dem europäischen Patentschutz zugänglich, da ein solcher Ausschluss nicht in Art. 53 b) EPÜ benannt sei. Letztlich lautet Art. 53 b) EPÜ wie folgt:

Europäische Patente werden nicht erteilt für: Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren. Dies gilt nicht für mikrobiologische Verfahren und die mithilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse.“

Die zu obiger Rechtsprechung gegenteilige Auslegung des Art. 53 b) einiger EPÜ-Mitgliedsstaaten, u.a. Deutschlands und der EU-Kommission, führte dazu, dass die Regel 28 der Ausführungsordnung zum EPÜ (AO EPÜ) durch den Verwaltungsrat des EPA um folgenden zweiten Absatz ergänzt wurde:

Nach Artikel 53 b) werden europäische Patente nicht erteilt für ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnene Pflanzen oder Tiere.“

In einer im Anschluss ergangenen Entscheidung T 1063/18 der Technischen Beschwerdekammer 3.3.04 des EPA wurde festgestellt, dass der neu eingeführte zweite Absatz von Regel 28 im Widerspruch zu Artikel 53 b) EPÜ stehe, wie dieser in den beiden Entscheidungen „Brokkoli II“ und „Tomaten II“ interpretiert worden sei. Da das EPÜ der AO EPÜ vorrangig sei, hatte die technische Beschwerdekammer die Patentierbarkeit der in der europäischen Patentanmeldung EP 2 753 168 beanspruchten Pfefferpflanze, die aus einem im Wesentlichen biologischen Verfahren hervorgegangen ist, bejaht.

Durch diese Entscheidung sah sich der Präsident des Europäischen Patentamts im Jahr 2019 veranlasst, die Widersprüchlichkeit zwischen EPÜ und AO EPÜ durch zwei Vorlagefragen an die Große Beschwerdekammer aufzulösen, um eine einheitliche Rechtsanwendung und Rechtssicherheit herzustellen.

Mit der nun hierzu im März diesen Jahres ergangenen Entscheidung der Großen Beschwerdekammer wurde die bisherige Auslegung des Art. 53 b) EPÜ entsprechend der Entscheidungen „Brokkoli II“ und „Tomate II“ revidiert. In Abkehr zu dieser Rechtsprechung und in einer Linie mit der Mehrheit der EPÜ-Mitgliedsstaaten hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung „PEPPER“ klargestellt, dass auch die Erzeugnisse, nämlich Pflanzen und Tiere der im Wesentlichen biologischen Verfahren nicht patentierbar sind.

Beachte: Die PEPPER-Entscheidung gilt nicht für europäische Patente oder Anmeldungen, die vor dem 1. Juli 2017 erteilt oder eingereicht wurden und noch anhängig sind.

Anmerkung: Für Pflanzenzüchter bleibt weiterhin der Sortenschutz auf Pflanzensorten zugänglich.

Merke: Pflanzen, Pflanzenbestandteile und Tiere sind dann nicht patentierbar, wenn diese ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren erhalten werden.

Große Beschwerdekammer des EPA, Aktenzeichen: G3/19 „Pepper“

5. Januar 2021
Vanessa Bockhorni
Patentanwältin